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Der AZ-Stern des Jahres in der Kategorie Engagement geht an Christian Springer

Viele kennen ihn vor allem von seiner komischen Seite: Christian Springer ist als „Fonsi“ längst eine Größe in der deutschen Kabarettszene. Jüngst hat er sein Buch „Nazi, komm raus!“ veröffentlicht. Es handelt von einem Thema, das Christian Springer schon als junger Student in München ganz bitterernst meinte: Er wollte den Massenmörder Alois Brunner aufspüren, jenen SS-Hauptsturmführer, den Adolf Eichmann als „seinen besten Mann“ bezeichnete.

Zwei Jahrzehnte lang fuhr Springer immer wieder nach Syrien, wo Brunner vermutet wurde. Springer schildert in seinem Buch nicht nur seine abenteuerlichen Ermittlungen, er erzählt auch viel über den Umgang der deutschen und internationalen Politik mit Naziverbrechern. Seit dem Bürgerkrieg engagiert sich Springer mit seinem Verein „Orienthelfer“ für syrische Flüchtlinge und ist häufig vor Ort im Grenzgebiet. Er ist nicht nur ein Kabarettist, sondern vor allem ein Mensch mit ganz klarer Haltung.

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Sternstunden e.V. unterstützt die Orienthelfer!

Wir freuen uns sehr, dass der renommierte Verein Sternstunden e.V., der unzählige Projekte für Kinder auf der ganzen Welt fördert, nun auch Orienthelfer e.V. unterstützt.

Das Sternstunden-Projekt von Orienthelfer e.V. konzentriert sich auf die Finanzierung von Nahrungsmitteln und medizinischer Behandlung von syrischen Flüchtlingskindern im nordlibanesischen Tripoli.

Mehr Informationen dazu bald auf dieser Seite!

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Die neueste Hilfsaktion der Orienthelfer im Libanon, August 2012

Die Bombe explodiert. Ein Feuerball steigt auf. Die Wucht der Explosion sprengt Fensterscheiben heraus, die Erschütterung ist kilometerweit zu spüren. Es brennt. Tausende Menschen haben ihre Wohnungen verlassen und sind in Notunterkünfte umgezogen. Als all dies passiert, sind wir im fernen Beirut und hören von der gezielten Sprengung der Flieger-Bombe in München-Schwabing nur über das Internet. Es ist ein ferner Gruß eines Weltkrieg-Relikts, das 70 Jahre lang im Boden schlummerte und es dennoch schaffte, die Münchener tagelang in Angst zu versetzen. Was bleibt, ist eine Vorstellung vom Krieg, von der Unsicherheit und dem Schrecken, die er mit sich bringt. Für die Syrer, die ihr Land noch nicht verlassen haben, ist die Bedrohung durch Bomben und bewaffnete Gefechte Alltag.

Aber auch für die Flüchtlinge in Türkei, Irak, Libanon und Jordanien ist der Krieg noch ganz nah. „Letzte Nacht haben Türen und Fenster geklappert, als wären sie offen“, erzählt uns Ali Al Badawi aus dem Wadi Khaled im Nord-Libanon. „Die Gefechte gingen die ganze Nacht durch, man kann kein Auge zu tun.“ Homs ist nur 20 Kilometer entfernt; vor allem im grenznahen Tell Kalakh wird schwer geschossen. Kurz nach unserer Rückkehr nach Deutschland erfahren wir, dass syrische Armeehubschrauber und Kampfflugzeuge tief über das Wadi und darüber hinaus auf libanesisches Gebiet fliegen.

Flüchtlingszahlen im Nord-Libanon steigen weiter

Ali Al Badawi ist der Mukthar, eine Art Bürgermeister, von Rame, einem Ort im Wadi Khaled. Seit über neun Monaten trifft ihn Christian Springer regelmäßig und unterstützt die Versorgung der nach wie vor in das winzige Hochtal strömenden Syrer. Wir treffen den Mukhtar im nord-libanesischen Qubaijat, nur einen Katzensprung vom Wadi Khaled entfernt. Trotzdem ist es für uns unerreichbar. Auch diesmal dürfen wir nicht hinein, da das libanesische Militär das Hochtal nach wie vor abriegelt. „Einmal im Monat kommt das UNHCR mit Essenspaketen“, berichtet Ali, der als Libanese im Wadi ein- und ausgehen kann. „Aber sie geben sie nur an einen Bruchteil der Flüchtlinge aus, nämlich an die offiziell registrierten. Es ist alles viel zu wenig.“ Denn auch bei der Flüchtlingshilfe in einem Krisengebiet regiert sie, die Bürokratie.

Ali Ali Badawi hat aber auch eine gute Nachricht: Die syrischen Flüchtlingskinder können im Herbst libanesische Schulen besuchen und bekommen so ein Stück Alltag zurück. Trotzdem fehlt es an Material, Kleidung, Heften, Büchern und Stiften. Wir entscheiden, dass Orienthelfer e.V. diese Anschaffungen mit dem Spendengeld aus Deutschland unterstützt, damit die Kinder im Wadi ihre Schulausbildung fortsetzen können. Auch in Zukunft werden wir engen Kontakt ins Wadi halten, um die Not dort zumindest ein wenig zu lindern.

Der Syrien-Konflikt greift auf den Libanon über

Im UNHCR-Büro in Qubaijat sprechen wir später mit Mitarbeitern: Jede Woche kommen circa 80 Familien in den Nord-Libanon und das seit über einem Jahr. Insgesamt hat das UNHCR momentan 37.000 Flüchtlinge registriert, vor allem im Nord-Libanon und der Bekaa-Ebene. Dazu ein Vergleich: Im nahen Tripoli, der  zweitgrößten libanesischen Stadt leben 200.000 Einwohner. Für ein so kleines Land wie den Libanon sind die hohen Flüchtlingszahlen eine enorme Belastung. Neben politischen und sozialen Problemen drohen auch konfessionelle Spannungen. Alte Konflikte brechen wieder auf. So bekämpften sich Sunniten und Alawiten Mitte August tagelang in Tripoli. Es gab mehrere Tote und über hundert Verletzte. Das libanesische Militär musste eingreifen, um die Ruhe zumindest an der Oberfläche wiederherzustellen. Trotzdem brodelt es weiter und der syrische Bürgerkrieg greift immer mehr auf das kleine Nachbarland über.

Zudem bekämpfen sich Syrer – Gegner und Befürworter Assads – auch hier, auf libanesischem Staatsgebiet. Erst Mitte August haben bewaffnete Gruppen in Beirut und der Bekaa-Ebene mehrere Syrer entführt. Im mondänen Beirut spürt man von den Spannungen nichts. Hier hören wir aber von zynischen Auswüchsen, die der Bürgerkrieg in Syrien mit sich bringt: In Damaskus und im Süden von Homs werden auf sogenannten „Sunni Markets“, einer Art Flohmarkt, Mobiliar und sonstige Habseligkeiten getöteter oder vertriebener sunnitischer Familien zu Billigpreisen verscherbelt. Auch das gehört zu den vielen Facetten, die ein Krieg hat.

Tripoli: Anlaufstellen für syrische Flüchtlinge

In Tripoli besuchen wir eine Anlaufstelle für Flüchtlinge, die von der libanesischen Regierung geduldet wird und somit offiziell arbeiten kann. Die Dschamaijat al-Bascha’ir kümmert sich um 5.000 Flüchtlingsfamilien, umgerechnet ca. 30.000 Einzelpersonen. Die Einrichtung ist auf zwei Häuser verteilt: die Anlaufstelle und eine 24h-Notfallambulanz, beide unter libanesischer Leitung. Neben Notfällen werden hier HNO-Erkrankungen ebenso behandelt wie Zahnschmerzen. Die Kosten werden ausschließlich durch Spenden gedeckt. Als wir ankommen, ist das Wartezimmer voll. Die verschiedenen Praxisräume sind karg bis gar nicht eingerichtet. Dennoch tun alle, was in ihrer Macht steht und wir sind beeindruckt von der Energie und dem Einsatz dieser Menschen. Was fehlt, ist wie immer Geld. Auf dem Schreibtisch von Dr. Hicham, dem liba-nesischen Leiter der Ambulanz, stapeln sich unbezahlte Rechnungen für Behandlungen, Material und Medikamente. Da er sich um Tausende Flüchtlinge kümmern muss, geht es um enorme Summen. Wir erfahren, dass momentan 660 syrische Kleinkinder unter einem Jahr registriert sind. Allein die Kosten für Milch betragen pro Monat 10.000 Dollar – wir entscheiden sofort, dass Orienthelfer e.V. davon monatlich die Hälfte bezahlen wird. Trotzdem haben wir das Gefühl, dass das nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein ist.

Die nächste Station in Tripoli ist das Markaz al-Ibrar, ein Reha-Zentrum für bereits operierte syrische Männer, das Christian Springer bereits auf seiner letzten Reise besuchte. Alle von ihnen sind Opfer bewaffneter Auseinandersetzungen. Am Eingang des Gebäudes sitzen sie im Freien, junge Männer, denen Hände, Füße oder ganze Gliedmaßen fehlen. Ein erschütternder und deprimierender Anblick. Im Inneren treffen wir zwei junge syrische Ärzte. Beide wurden zu Beginn des Bürgerkriegs in Damaskus inhaftiert, als die Regierung wahllos Ärzte einsperrte. Danach sind sie geflohen und betreuen seither mit großem Engagement viele Versehrte in Tripoli. Ihre Patienten haben einerseits Glück gehabt – sie leben, wurden operiert und befinden sich in relativer Sicherheit. Doch für weiterführende Behandlungen, Prothesen etc. gibt es kein Geld und das wissen sie. Wie sieht die Zukunft nach Ende des Krieges aus, wenn man Schreiner war und die rechte Hand unbrauchbar ist? Schicksale wie diese gibt es hier unendlich viele. Die Ärzte zeigen uns mehrere ausgewählte Fälle, bei denen durch Operationen Ellbogen-Gelenke beweglich gemacht oder Hände wiederhergestellt werden können. Orienthelfer e.V. wird sich daran je nach Höhe der Kosten beteiligen oder sie ganz übernehmen.

Beirut: Die Not der Frühchen im staatlichen Krankenhaus Hospital Mustaschfa Hariri Hukuma

Der nächste Tag führt uns ins staatliche Krankenhaus Mustaschfa Hariri Hukuma in Beirut. Unsere syrischen Kontaktleute können uns nicht bis hierher bringen. „Too many eyes around“, sagen sie. Sie wurden gewarnt, dass sich Spitzel in und um das Krankenhaus bewegen und sie besser fern bleiben sollen. Was wir auf der Frühchen-Station sehen, schockiert uns. Durch Mangelernährung, physischen und psychischen Stress bringen viele syrische Frauen ihre Kinder viel zu früh zur Welt. Fünf von ihnen liegen in Brutkästen dieses Krankenhauses. Wir sehen Babies, die teilweise unter einem Kilogramm wiegen und deren Leben am seidenen Faden hängt. Ihre Zukunft ist ungewiss: Sie sind als Flüchtlinge, teilweise als Halb-Waisen, in einem fremden Land zur Welt gekommen und brauchen intensive Behandlung, um überleben zu können. Das Krankenhaus kümmert sich zusammen mit Spendern um die Winzlinge. Das Entscheidende ist aber auch hier wieder das Geld: Ein Platz in einem Brutkasten kostet pro Tag 200 Dollar – und das ohne jede weiterführende medizinische Behandlung. Auch hier übernehmen wir sofort die Kosten für einen Monat. Aber was passiert danach?

Unser Fazit lautet auch diesmal wieder: Es gibt viel zu tun, mehr als alle Hilfsorganisationen zusammen bewältigen könnten. Dazu brauchen wir Ihre Unterstützung! Die Not wird immer größer. Die weitere Entwicklung ist schwer abzusehen. Mitte September besucht Papst Benedikt XVI. vier katholische Patriarchate im Libanon. In Beirut wird entlang der Straßen auf  Videotafeln für die große Friedensmesse geworben. Wir sind gespannt, welche Worte Benedikt für diese gebeutelte Region finden wird. Und welche Taten werden ihnen folgen?

Sabine Kroiß, September 2012

Orienthelfer e.V.

www.orienthelfer.de

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Orienthelfer e.V. freut sich über einen gelungenen Spenden-Abend am 25. Juli

Vielen Dank an die fantastischen Künstler, die den Abend zu einem Erfolg gemacht haben: Christoph Süß, Monika Gruber, Philipp Weber, Claus von Wagner, Wolfgang Krebs, Franziska Ruprecht und Keller Steff & Band!

Vielen Dank an Oliver Veitinger und sein großartiges Team vom Volksgarten!

Vielen Dank an unsere vielen Gäste und die großzügigen Spenden!

Berichte über den Abend finden Sie hier:

Abendschau, Bayerisches Fernsehen

Radiowelt, Bayern2

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Bericht: Orienthelfer e.V. im Libanon, Juli 2012

Draußen rauschen Palmen vorbei und das Mittelmeer glitzert in der Sommersonne. Die Buchten des Libanon locken mit Urlaub, Spaß und Wassersport. Wer allerdings hinter die Kulissen schaut, dem vergeht die Freizeitstimmung sehr schnell. Seit über einem Jahr strömen Flüchtlinge aus dem benachbarten Syrien in den Libanon. Meistens in der Dunkelheit, heimlich und illegal. Denn Syrien hält seine Menschen fest umklammert. Wer Schutz in den Nachbarländern sucht, gilt als Feind des Regimes und wird verfolgt. Wieviele Syrer inzwischen in den Libanon geflüchtet sind, weiß niemand genau, über 20.000 sollen es sein, vielleicht auch 40.000.

„Habt ihr euch entschieden?“, fragt unser syrischer Fahrer. Er schaut in den Rückspiegel und wartet auf Antwort. Aber die mitreisende Ärztin Dr. Michelle Davis und ich haben uns noch nicht entschieden. Ich stehe vor den grausamsten Entscheidungen meines Lebens. In diesem Moment kehren wir zurück von einer Rundtour durch verschiedene libanesische Krankenhäuser, Reha-Zentren, die ihren Namen nicht verdienen, und Privatwohnungen. Wir sollten einen Überblick über die Situation der syrischen Verletzten bekommen, die auf Hilfe warten. Und denen eines am dringendsten fehlt: Geld.

Dank der Spendengelder aus Deutschland können wir helfen, jeden Monat sind wir im Land. Inzwischen kennen einige schon den Namen unseres Vereins „Orienthelfer“ und man fragt uns, ob wir auch so schöne Aufkleber wie die anderen Hilfsorganisationen hätten. Die haben wir nicht, wir wollen helfen, nicht kleben. Aber unsere Mittel sind begrenzt, es reicht nicht für alle. Jetzt müssen wir uns festlegen, wem wir die dringend benötigte Operation finanzieren – und wem nicht. Wer bekommt ein neues Knie, eine Gehirn-OP, eine neue Hand? Und wer bleibt ein Krüppel. In diesem Moment wünsche ich mir eine Million Dollar in bar. Nicht jede Verstümmelung ist reparabel, aber viel Not und Schmerz könnte durch einen medizinischen Eingriff gelindert werden. Unser Geld reicht nur für wenige Operationen.

Jeder verletzte Syrer hat seine eigene Schreckensgeschichte. Der achtzehnjährige Muhammad schloss sich in Qusair einer Demonstration an. Er nahm sein Moped mit, um im Notfall schneller fliehen zu können. Und tatsächlich eröffneten syrische Soldaten das Feuer auf die Demonstranten. Alles stob panisch auseinander, Muhammad stürzte mit seinem Moped und ein anderer Demonstrant fuhr ihm in dem Durcheinander über sein Knie. Wir können die Erzählungen nicht nachprüfen, doch sein Knie ist vollständig zertrümmert. Im Libanon wurden die Knochentrümmer mit etlichen Nägeln notdürftig zusammengeflickt, doch die Metallstifte sind viel zu lang geraten, man spürt die Spitzen unter seiner Haut. Mit einem tapferen Lächeln erträgt er seine bösen Schmerzen. Es hätte ihn schlimmer erwischen können, sagt er.

Wie den kleinen Ahmed aus der Nähe von Homs. Verängstigt durch die Schüsse in der Stadt, schickten ihn seine Eltern nicht in die Schule, sondern zum Schafe hüten. Er stand inmitten seiner Herde, als die Armee mit Raketen angriff. Ein Geschoß flog mitten in seine Schafherde und riß Ahmed den Unterschenkel ab. Als wir mit dem Wagen auf den Krankenhaus-Parkplatz einbiegen, fällt er uns sofort auf. Er hat seine Kinderkrücken unter die Arme geklemmt und steht einsam vor dem Haupteingang.Wer kümmert sich um ihn? Um einen kleinen Jungen, dem gerade das Bein abgenommen wurde, muß sich doch jemand kümmern! Aber da ist niemand. Ich bin zutiefst schockiert darüber, wie abgeklärt das Krankenhauspersonal darauf reagiert. Aber unsere syrischen Begleiter klären mich auf: Ahmed ist nur ein einziger Fall. Von zehn? Nein, von tausend inzwischen.

Keiner ist da, der dem Dreizehnjährigen in dem Barcelona-Trikot die Hand hält, ihn tröstet, seine Fragen beantwortet. Ich setze mich zu ihm in sein Krankenzimmer. „Wir sind seine Familie“, sagen zwei junge Männer, die sich den schmucklosen Raum mit ihm teilen. Dem einen fehlt ein Bein, der andere kann nicht laufen, weil ihm ein Geschoß beide Oberschenkel durchschlug. Die drei Jungs haben zusammen nur zwei gesunde Beine. Trotzdem lachen wir viel miteinander. Ich entschließe mich, für Ahmed die Nachoperation zu finanzieren und eine Prothese. Das ist die kleinste Hilfe, die wir in diesem Augenblick leisten können. Der zuständige Arzt versichert, dass er mir selbstverständlich eine Quittung darüber ausstellen werde, es sei ja Spendengeld. Dr. Davis und ich sind sprachlos, dass man sogar im fernen Libanon noch an das deutsche Finanzamt denkt.
Jede zweite Not-Operation im Libanon gilt derzeit einem Syrer. Doch die Ärzte operieren nur, wenn das Geld vorher auf den Tisch gelegt wird.

Während unseres Aufenthaltes werden zwei Schwerverletzte von einem Krankenhaus abgewiesen. Wir möchten wissen, wo diese Leute nun sind. Keiner weiß es. Vielleicht tot. Trotzdem operieren viele libanesische Ärzte inzwischen umsonst, geben Rabatt auf schwierigste Eingriffe. Aber irgendwann ist Schluß. Beim nächsten Mal muß gezahlt werden. Aber wie? Die syrischen Flüchtlinge haben kein Geld, sie sind auf Spenden angewiesen. Um möglichst viele Behandlungen zu ermöglichen, werden die meisten Kranken und Verletzten von ihren syrischen Helfern so kurz wie möglich vor der fälligen OP eingeliefert. Hinterher werden sie sofort wieder herausgenommen, um weitere Kosten zu sparen. Dann erfahren wir von einem Notfall: ein Junge mit einem Nackenschuß. Er hat Gehirnhautentzündung, Flüssigkeit hat sich bereits bedrohlich im Kopf angestaut, die Gliedmaßen sind gelähmt, er muß über eine Sonde ernährt werden. Doch wieder fehlt das Geld für eine Operation. Als ich dem Krankenhauschef 6000 Dollar auf den Tisch blättere, greift er im gleichen Augenblick zum Telefon und vereinbart einen OP-Termin für den Jungen. Inzwischen ist er operiert.

Wie in den vorherigen Reisen stoßen wir auf keine syrischen Fanatiker, Salafisten oder Islamisten. Unter den Verletzten sind alte Männer, die nur dem Bombenhorror entfliehen wollten und nun eine Ladung Schrapnells im Körper tragen. Auf den Röntgenbildern sehen wir noch die Kugeln in den Beinen, Schultern und Knochen der Menschen, die einfach aus den Dörfern flüchten wollten und dabei von der Armee beschossen wurden. Sie gelten als Terroristen, daher ist eine Behandlung in syrischen Krankenhäusern unmöglich. Somit werden viele der Kranken in den Libanon geschmuggelt. Nicht alle schaffen es. „Look, if it’s helpless.“ Die Aufforderung gilt unserer Ärztin Dr. Michelle Davis. Wenn ein Fall hoffnungslos sei, sollen wir bitte kein Geld für eine OP verschwenden, sondern für die Behandlung der Überlebenden verwenden. Eine zynischer Pragmatismus, der uns das Herz zerreißt.

Als wir den Libanon verlassen, erwischt uns der nächste Hammerschlag. Unsere Hilfsreisen starteten im Dezember 2011 im Wadi Khaled, ein Gebirgstal an der syrischen Grenze. Etliche Male war ich dort bei den syrischen Flüchtlingen und brachte ihnen Hilfsgüter. Viele kennen uns – und erwarten uns. Bei der jetzigen Fahrt dorthin werden wir am Checkpoint vom libanesischen Militär abgewiesen. Es sei zu gefährlich. Die Schule in Rame mit den 250 Flüchtlingen, die ich gut kenne, liegt nur ein paar Steinwürfe entfernt. Zum Glück dürfen befreundete Libanesen aus dem Tal heraus. Wir übergeben ihnen Babykleidung, Medizin, Bücher und vieles mehr für die Flüchtlinge. Wir selbst müssen umkehren. Kurz danach wird das Wadi Khaled von der syrischen Armee bombardiert, Tag und Nacht. Es gibt Tote und Verletzte. Die Syrer sprechen von der notwendigen Verteidigung gegen Terroristen, aber im Wadi Khaled werden keine Terroristen, sondern eine 19jährige Libanesin und ein Baby zu Grabe getragen. Die Bombardements hören seitdem nicht mehr auf. Die Flüchtlinge sitzen in ihren Unterkünften und dürfen nicht weg. Sie sind Gefangene, die darauf hoffen, heute Nacht nicht getroffen zu werden. Und morgen hoffentlich auch nicht. Die kleinen Kinder schreien nächtelang durch, die größeren machen wieder ins Bett.
Als wir in Deutschland ankommen, erreicht uns eine Neuigkeit: Syrien bewirbt sich derzeit um einen Sitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Da China und Kuba dafür sind, sei eine Ablehnung der syrischen Forderung unwahrscheinlich.

Christian Springer, Juli 2012

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Bericht: Hilfsreise von Orienthelfer e.V. nach Libanon und Jordanien, Mai 2012

Auf meinem Mobiltelefon leuchtet es auf: „Neue Nachricht“. Als ich die SMS aufrufe, kann ich kaum glauben, was da steht. „Das Ministerium für Tourismus heißt Sie in Syrien herzlich willkommen. Für Informationen und Wünsche wählen Sie die Nummer 137“. Zum Glück sind wir nicht in Syrien, aber die Grenze liegt tatsächlich in Sichtweite.

Von den Hügeln auf der libanesischen Seite können wir bis nach Homs sehen. Dort tobt ein verheerender Bürgerkrieg, doch die syrische Telefonfirma MTNSyr verschickt noch Nachrichten an ausländische Touristen, die es in Syrien längst nicht mehr gibt. Denn Sehenswürdigkeiten, einst der Stolz Syriens, sind inzwischen an vielen Orten unter Beschuß geraten. Die Kriegsparteien schieben sich gegenseitig die Schuld an den Verwüstungen zu. Doch die Schäden an altem Gemäuer interessieren derzeit niemanden. Zu Recht. Schließlich ist noch nicht einmal die humanitäre Katastrophe bei den Menschen und Politikern angekommen.

Wir sind zum vierten Mal bei den Flüchtlingen im Wadi Khaled. Die Opfer des Assad-Regimes harren zum Teil schon seit über einem Jahr in unerträglichen Zuständen hier aus. Tausende Syrer sind in den gebirgigen Norden des Libanon geflüchtet, auf den Bergspitzen liegt noch Schnee. Das Wadi Khaled genannte Gebiet ist vom libanesischen Militär abgeriegelt. Selbst syrische Landsleute aus dem Libanon, die im Wadi helfen wollen, haben keinen Zutritt. Kleine Hilfsorganisationen, Journalisten, Kriegslüsterne, Schaulustige, niemand darf den Checkpoint passieren. Wir sind diesmal nur zu zweit unterwegs, ein libanesischer Taxifahrer, dem wir vertrauen, sitzt am Steuer. Als persönliche Gäste eines Politikers dürfen wir passieren. Neben mir auf dem Rücksitz steht ein riesiger Karton, prall gefüllt mit unterschiedlichsten Spielsachen, Malbüchern und Stiften für die Kinder.

Zwölf Monate weiß die Welt von der syrischen Katastrophe. Inzwischen haben wir von Orienthelfer e.V. uns um einige Tausend Flüchtlinge gekümmert. Nie fühlten wir uns überflüssig oder fehl am Platz, obwohl wir weder an finanziellen Mitteln noch an Prominenz mit den internationalen Hilfsorganisationen mithalten können. Vom Flughafen der libanesischen Hauptstadt Beirut bis in „unser“ Wadi sind es drei bis vier Stunden Autofahrt. Dann stehen wir unter den ersten Flüchtlingsfamilien, verteilen die eingekauften Dinge, aber auch Geld. In diesem Fall bedeutet Geld auch Würde. Die Menschen können sich mit ein paar Dollars selbst ein paar kleine Wünsche erfüllen und beim Einkauf im Tante-Emma-Laden wieder ein wenig vom „normalen“ Leben spüren, das man ihnen genommen hat. Sie können für einen Augenblick selbst wählen, welche Zahnbürste sie haben wollen. Und müssen eben nicht all das dankbar annehmen, was der Helfer gerade so aus seiner Tasche zaubert. Schon während unserer Hilfsreise frage ich mich, ob es überhaupt deutsche Hilfe gibt. Aus Deutschland ist, zumindest bei all den vielen Flüchtlingen, mit denen ich inzwischen Kontakt hatte, kein Krümel Brot, kein Fetzen Stoff, keine Seife, keine Socke, kein Euro angekommen.

Was hat sich seit unserem letzten Besuch bei den Flüchtlingen geändert? Bei der ersten Reise haben uns die Flüchtlinge noch mit einem dringenden Appell an die Welt verabschiedet. Helft uns! Schafft Flugverbotsszonen über Syrien! Schickt Ärzte! Sie hatten noch Hoffnung auf die Hilfe von außen. Diese Hoffnung ist erloschen. „Die Welt hat uns vergessen.“ Diesen Satz höre ich oft, im Wadi Khaled, in Beirut, in Mafraq, in Ramtha, in Amman. „Aber wir geben nicht auf. Wir sind Syrer.“ Diese Worte stammen nicht von Revolutionskämpfern, die haben wir nämlich nicht getroffen. So sprechen mit uns die Omas, Witwen und Waisen, oft mit Tränen in den Augen.

Vom Libanon fliegen wir nach Jordanien, die Flugzeit beträgt eine Stunde. Unter uns liegt Damaskus. Aus der Höhe sieht das Land friedlich aus. Das Elend erleben wir erst wieder am Boden. In Jordanien leben inzwischen 110.000 Syrer, täglich werden es mehr. Sie kommen aus Daraa, Damaskus, Homs, Hama. Auch eine Familie mit sieben Kindern hat den riskanten Weg über die Grenze geschafft. Als wir der Frau unsere kleine Hilfe übergeben, ringt sie mit den Worten. Ihr Mann ist zurück in Syrien. „Zum Kämpfen?“, rutscht es mir heraus. „Nein, er ist schwer zuckerkrank.“ Als sie im Norden Jordaniens angekommen waren, gab es keine Hilfe für ihn. Keine Medikamente, keinen Arzt, kein Geld, um nach Amman zur Behandlung in die Klinik zu fahren. Als er körperlich bereits am Ende war, gab es nur eine einzige Überlebenschance: zurück nach Syrien. Dort hatte er einen Arzt, der sich kümmerte. Niemand weiß, ob er die Befragungen durch die Polizei wegen seiner Fluchthilfe für die Familie überlebt hat. Die Mutter muß ihre sieben Kinder alleine durchbringen. Wie? Das weiß sie nicht.

Der Fall dieser Familie ist exemplarisch. Zwei der größeren Töchter hatten in Syrein bereits studiert. Jetzt sind sie Flüchtlinge in einem fremden Land. An eine weitere Ausbildung ist nicht zu denken. Das Regime riskiert längst die Zukunft seines Landes. Reihenweise sind bereits Schulen und Universitäten geschlossen. Auf dem Land ermordeten Regierungs-Soldaten, und das ist tatsächlich bewiesen, die Tiere von Bauern. Kühe, Schafe, Ziegen werden mit Maschinengewehrsalven niedergestreckt. Damit sind alle Lebensgrundlagen zerstört. Der Aufbau neuer Herden dauert viele Jahre.

Es gibt viele widersprüchliche Nachrichten aus Syrien, was soll man glauben? Zu einem gewalttätigen Krieg gehört Kriegspropaganda. Von beiden Seiten. Das war zu allen Zeiten so. Wenn wir unterwegs sind, um Menschen zu helfen, wurden uns allerdings nie die Handyvideos mit den schrecklichen Szenen gezeigt. Denn die betroffenen Menschen sind schamhaft. Niemand erzählt einem Fremden nach drei Minuten von seinen traumatischen Erlebnissen. Anstelle von Propaganda passiert etwas ganz anderes: Die Flüchtlinge laden uns auf ein Glas Saft ein. Und eines ist offensichtlich: Niemand ist freiwillig hier!

Einer Familie aus Homs, die erst vor zwei Tagen den Bombardierungen entkommen ist, sind die europäischen Haarspaltereien fremd. Ob das Haus nun von Artilleriegranaten oder Panzern zerstört worden ist – es ist zerstört, der Hausrat für immer vernichtet. Ob der fehlende Fuß von einer Mine oder Schüssen zerfetzt worden ist – er ist nicht mehr am Bein. Uns begegnet Not, höchste Not. Es geht um Hunderttausende, die im Elend auf Hilfe warten. Und die kommt nicht, oder braucht zu lange, oder ist zu wenig. Als 33 chilenische Bergleute verschüttet waren, hat die gesamte Welt sofortige Hilfe angeboten. Das war gut so. Und notwendig. Sie konnten gerettet werden. Jetzt sind hunderttausende Syrer in höchster Not: helft! Sofort!

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„Assad lässt Kinder töten – Wie lange wollen wir noch zuschauen?“

Christian Springer zu Gast bei Anne Will –
am Mittwoch, 6. Juni 2012 um 22.45 Uhr, ARD

Im Gespräch mit Anne Will sind außerdem: Julian Reichelt, Theo Sommer, Peter Scholl-Latour,  Prof. Dr. Michael Wolffsohn und Huberta von Voss-Wittig.

Nach dem Massaker von Hula, bei dem über hundert Zivilisten, darunter viele Kinder, ums Leben kamen, zeigt sich der syrische Staatschef Baschar al-Assad unbeirrt. Nun hat die syrische Opposition den UN-Friedensplan von Kofi Annan für gescheitert erklärt. Es droht eine neue Eskalation der Gewalt. Die EU und Russland sind sich uneins über das weitere Vorgehen, und der französische Präsident Hollande denkt bereits über einen Militärschlag gegen Syrien nach. Auch in Deutschland werden Forderungen nach einer bewaffneten Intervention laut. Wie sollen wir uns angesichts der dramatischen Lage in Syrien verhalten?

Zur Website der Sendung

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Christian Springer vor Ort an der syrisch-jordanischen Grenze

Christian Springer befindet sich momentan für seinen Verein Orienthelfer e.V. an der syrisch-jordanischen Grenze. Über 100.000 Menschen sind bereits in das syrische Nachbarland geflogen. Christian Springer ist vor Ort in den Flüchtlingslagern und leistet mit einem kleinen Team direkte humanitäre Hilfe für die Opfer des syrischen Bürgerkriegs.

In Syrien selbst erreichte der Konflikt mit dem Massaker von Hula am vergangenen Wochenende einen traurigen Höhepunkt. Die Lage verschärft sich zusehends und immer mehr Menschen fliehen in die angrenzenden Gebiete, wo sie unter teils katastrophalen Bedingungen leben.

Weitere Informationen finden Sie demnächst hier.

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